Das verlorene ß

Straße oder Strasse?

Manchmal fragt man sich, wer das ß geklaut hat. Städte und Gemeinden geben viel Geld für neue Strassenschilder aus und den Sinn des Unsinns versteht am Ende keiner mehr. Hauptsache es gibt neue Schilder, die rechtschreibkonform sind.
Selbst wirkliche Deutschprofis beharren auf Sachen wie beissen, fleissig oder stossen.

Wie konnte es soweit kommen?
Am Anfang der Rechtschreibreform wurde einfach Vieles, was logisch erschien, ignoriert und geändert. Erst einige Jahre später beschloss man, einige unsinnige Regeln wieder zu verwerfen. Zu diesen Regeln zählte auch die ß-Regel.
Zu Beginn gab es gar kein ß mehr. Man wollte sich ein Beispiel an der Schweiz nehmen und dieses überflüssige Etwas aus unserem Zeichensatz verbannen. Aufgrund von Protesten der Bücherverlage, Autoren und Germanistikexperten wurde 2001 das ß bedingt wieder zugelassen.
Näheres im Buch: Niemand hat das letzte Wort

Im Regelwerk der deutschen Rechtschreibung §25 steht:
Für das scharfe (stimmlose) s nach langem Vokal oder Diphthong schreibt man ß, wenn im Wortstamm kein weiterer Konsonant folgt.

OK?

Auch kurze Straßen besitzen einen langen Vokal. Außerdem ist das „ei“ in beißen nun wirklich ein gut sichtbarer Diphthong. Wo ist also das Problem? Wieso sinnlos „ss“ schreiben, wenn das gute alte ß noch immer erlaubt ist? Ja, sogar die Untertitel von Fernsehsendungen meiden inzwischen das ß. Die Frage die sich nun stellt, ist:

Schreiben jetzt sogar die Medien falsch?
Die beruhigende Antwort lautet: NEIN.

Wir leben in Deutschland und die Rechtschreibreform ist ein typisch deutsches Produkt. Also gibt es irgendwo ein Schlupfloch für diesen Wahnsinn. Ich muss gestehen, dass ich dieses Loch auch erst vor 5 Minuten entdeckt habe. Es ist doch wirklich witzig.
In der Erweiterung E2 und E3 hat die Rechtschreibkommission nämlich wieder alles offen gelassen. Frei nach dem Motto: ß oder ss ist egal – Hauptsache irgendein s-Laut.
Im Regelwerk ist Folgendes geschrieben:

E2 - Steht der Buchstabe ß nicht zu Verfügung, so schreibt man ss. In der Schweiz kann man immer ss schreiben.
E3 - Bei Schreibungen in GROSSBUCHSTABEN schreibt man SS.


Jetzt haben wir also das Problem gelöst. Die Druckereien und Prägewerke für Straßenschilder haben also damals alle ihr ß voreilig verkauft, sodass es nun nicht mehr zur Verfügung steht. Die Lösung für den Heimanwender ist nun einfach.
Entweder man kauft sich seine Tastatur in der Schweiz oder man blockiert die ß-Taste.

Für Alle die, die nun aber richtig schreiben wollen gilt der § 25.
langer Vokal oder Diphthong = ß
also: ich weiß, ich wusste, du wüsstest
fließen, er floss, der Fluss, das Floß